Vom Erkennen zum Handeln

Theorie und Praxis

Der Über­gang vom Erken­nen zum Han­deln geht immer mit einem Ver­lust an kri­ti­scher Offen­heit ein­her. Beim Han­deln ist es näm­lich nicht för­der­lich, jetzt noch fun­da­men­ta­le Zwei­fel gel­tend zu machen. — Wer zu han­deln beginnt, wech­selt von der Theo­rie zur Pra­xis und ist dann nicht mehr unbeteiligt. 

Es geht jetzt weni­ger ums Ver­ste­hen, son­dern um ein Han­deln mit Absich­ten und Zie­len. Daher ist gene­rel­le Kri­tik nicht mehr ange­bracht, denn das wür­de in Wider­sprü­che füh­ren. — Zau­dern ist daher ein Zei­chen, daß wir uns unse­rer Sache noch nicht sicher sind. 

Wil­liam-Adol­phe Bouguereau:
Inspi­ra­ti­on (1898).

Ent­schei­dend ist ein Wech­sel der Per­spek­ti­ven. Der vor­mals noch unbe­tei­lig­te Zuschau­er muß sei­ne vor­ma­li­ge Posi­ti­on auf­ge­ben, um ins Gesche­hen ein­grei­fen zu kön­nen. Aber dann ist es kaum mehr mög­lich, zugleich das gan­ze Gesche­hen wei­ter kri­tisch zu betrach­ten. — Aber es geht auch nicht mehr um Erken­nen und Ver­ste­hen. Beim Han­deln set­zen wir ande­re Schwer­punk­te, denn wir sind dann auf Gelin­gen aus. 

Wir sind dann in einem Pro­zeß, den wir selbst ange­sto­ßen haben. Dann kommt es weni­ger dar­auf an, was wir gedacht, erahnt oder befürch­tet haben, son­dern was ist und wer­den soll. — Im Unter­schied zum Erken­nen, setzt das Han­deln ganz eige­ne Prä­fe­ren­zen. Dar­auf soll­te sich gera­de auch die Selbst­kri­tik ein­stel­len, denn jetzt kann Kri­tik stär­ken oder auch schwächen. 

Die Initia­ti­ve, der erste Schritt ist stets ein beson­de­res Ereig­nis. Infol­ge­des­sen kommt es zur Palast­re­vo­lu­ti­on im eige­nen Selbst. Die Auf­merk­sam­keit muß eine ande­re wer­den, weil jetzt die eige­ne Pra­xis auf dem Spiel steht. — Fort­an spielt sich unse­re Wirk­lich­keit nicht mehr allein in der Vor­stel­lung ab, son­dern in der Welt. Han­deln ist eine Welt für sich, daher zäh­len vor allem prak­ti­sche Perspektiven.

Dann erle­ben wir uns von unge­wohn­ter Sei­te. Sich selbst dabei bei­zu­ste­hen, ist wesent­lich. — Das Selbst hat die Auf­ga­be, die unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven unse­res Bewußt­seins immer wie­der neu zu orga­ni­sie­ren. Sobald wir zum Han­deln über­ge­hen, müs­sen wir uns ver­ge­wis­sern kön­nen, wor­auf es eigent­lich ankom­men soll.

Auf­merk­sam­keit muß ange­mes­sen sein. Der­weil ist die Pra­xis erfüllt von einem beson­de­ren Augen­merk für ent­schei­den­de Momen­te. Dazu gehö­ren Erfah­rung, Urteils­fä­hig­keit und vor allem Inspiration.