Ich bin dagegen, dafür sein zu müssen

Frei­heit sei “Ein­sicht in die Not­wen­dig­keit”, die­ser Satz von Hegel hat es in sich. Und genau die­ser Fall ist jetzt ein­ge­tre­ten. – Coro­na war nur der Vor­krieg, danach kam wirk­li­cher Krieg und auch wie­der die obli­ga­to­ri­schen Denk­ver­bo­te. Aber mit der ent­stan­de­nen Zer­ris­sen­heit zwi­schen Herz und Kopf rech­nen und leben zu ler­nen, ist das Gebot der Stunde.

Wie die­se Wirk­lich­keit erzeugt und arran­giert wur­de, ist das eine. Aber nun ist die­ser Krieg in der Welt und daher stellt sich die Fra­ge, wie damit umzu­ge­hen sei. – Und wie­der sind die USA ver­ant­wort­lich für die ent­stan­de­ne Situa­ti­on. Man hät­te einen ande­ren Putin haben kön­nen, aber die USA woll­ten eben die­sen und kei­nen ande­ren. – Es liegt nicht im Inter­es­se der USA, daß sich euro­päi­scher Geist und rus­si­sche Wei­te zusam­men­tun. Und natür­lich wäre dabei sehr viel mehr Demo­kra­tie zu wagen gewe­sen, end­lich auch in Russ­land, wo man von der Zaren­herr­schaft in die Dik­ta­tur und dann in Auto­kra­tie und Olig­ar­chie gera­ten ist.

Was wäre gewor­den, wenn EU und RU im “Euro­päi­schen Haus” näher zusam­men­ge­kom­men wären, anstatt sich aus­ein­an­der divi­die­ren zu las­sen? Natür­lich wäre ein ande­rer Putin in einem ande­ren Russ­land am Ruder. Putin hät­te ern­ten kön­nen, was Gor­bat­schow gesät hat. Ob er sich dann auch so demo­kra­tie­feind­lich und des­po­tisch ent­wickelt hät­te, ist zwar noch immer eine Fra­ge der Spe­ku­la­ti­on. Aber gera­de auch die Inter­es­sen von Euro­pa sind immer wie­der mut­wil­lig ver­letzt wor­den. Rei­hen­wei­se wur­den Nach­bar­staa­ten von den USA desta­bi­li­siert, bis sich die Flücht­lings­strö­me in Bewe­gung setz­ten, was dann allent­hal­ben zu ungu­ten Ten­den­zen geführt hat.

Jean-Léon Gérô­me: Die Wahr­heit kommt aus ihrem Brun­nen (1896).

Wer oder was ist also der “Feind”? Es sind demo­kra­tie­feind­li­che Staa­ten mit reli­giö­sen oder ideo­lo­gi­schen Iden­ti­tä­ten, die dazu nei­gen, Krie­ge anzu­zet­teln, um Demo­kra­tien zu hin­ter­ge­hen. Heu­che­lei spielt in der schwar­zen Kunst der Kulis­sen­schie­be­rei eine ganz gro­ße Rol­le. Dar­in liegt die Mei­ster­schaft der USA, selbst her­bei­ge­führ­te Ent­wick­lun­gen so erschei­nen zu las­sen, daß die Welt wie­der ein­mal in die Guten und die Bösen unter­teilt wer­den kann. Dabei sind die Ban­ker von Black­rock und die Söld­ner von Black­wa­ter nur zwei Sei­ten der­sel­ben Medail­le. Die dun­kel­sten Machen­schaf­ten wer­den von Pri­vat­ar­meen betrie­ben, so daß die Staa­ten im Lich­te der Öffent­lich­keit ihre Hän­de heu­chelnd in Unschuld waschen können.

Nicht die Medi­en sind das Pro­blem, son­dern man­che ihrer Ver­tre­ter und vor allem jene dar­un­ter, die sich selbst zu Gesin­nungs­wäch­tern ernannt haben und dazu nei­gen, mün­di­ge Bür­ger umer­zie­hen zu wol­len. Es ist eini­ges an neu­er Unsi­cher­heit ent­stan­den, vie­les, was ver­läß­lich schien, hat sich als brü­chig erwie­sen. Die ent­wür­di­gen­den Ver­un­glimp­fun­gen der Anders­den­ken­den ist gera­de nicht der Aus­druck einer offe­nen Gesell­schaft mit Demo­kra­tie und Gedankenfreiheit.

Die Impf­skep­ti­ker von gestern sind die “Putin-Ver­ste­her” von heu­te. Die Pazi­fi­sten haben die Rol­le der “Covidio­ten” über­nom­men, und die Rus­sen sind wie die Unge­impf­ten, die auch schon mal zur Umer­zie­hung in Beu­ge­haft genom­men wer­den soll­ten, damit sie zur Ein­sicht kom­men und sich “bes­sern”.

Alle die­se Aus­ein­an­der­set­zun­gen sind aller­dings auch “Anpas­sungs­schwie­rig­kei­ten” an eine der größ­ten Medi­en-Revo­lu­tio­nen seit Erfin­dung der Schrift. Urhe­ber und Ver­stär­ker bei alle­dem ist die Kom­mu­ni­ka­ti­on im Netz der Net­ze. Es läßt sich in der neue­ren Mensch­heits­ge­schich­te nach­wei­sen, daß neu auf­kom­men­de Medi­en wie Spra­che, Schrift, Buch­druck, Pres­se und Radio stets ganz gewal­ti­ge gesell­schaft­li­che und kul­tu­rel­le Umbrü­chen auslösen.

Der­weil hal­ten sich die Des­po­ten und Schlaf­wand­ler aller Zei­ten viel dar­auf zugu­te, daß sie ja doch nur “gerech­te” Krie­ge füh­ren. Aber nicht auf die angeb­lich so “gro­ße” Ver­gan­gen­heit längst unter­ge­gan­ge­ner Rei­che kommt es an, son­dern auf die noch viel grö­ße­re Zukunft des Mensch­seins. – Der gehei­me Plan der Natur, die im Men­schen ein Auge auf­schlägt, um sich selbst zu betrach­ten, ist allen Ten­den­zen und Laten­zen im Zuge der Mensch­heits­ent­wick­lung zufol­ge sehr ein­deu­tig. Es geht um mehr Selbst­ori­en­tie­rung, Indi­vi­dua­li­tät, Selbst­be­stim­mung und Eman­zi­pa­ti­on, also um immer weni­ger angeb­lich für­sorg­li­che Entmündigungen.

Die Scha­fe brau­chen kei­ne Guten Hir­ten mehr, um sich füh­ren, bevor­mun­den und klein hal­ten zu las­sen. Der Des­po­tis­mus muß zu immer mehr Gewalt grei­fen, weil er nicht mehr gedul­det wird. Eman­zi­pa­ti­on steht auf dem Pro­gramm der Welt­ge­schich­te. Das Tota­li­tä­re muß unter­ge­hen, weil es der Mensch­heit kaum mehr zuträg­li­che Dien­ste lei­stet, sich tat­säch­lich wei­ter und höher zu ent­wickeln, durch Auf­klä­rung, Bil­dung und indi­vi­du­el­les Urteilsvermögen.

Im Ver­lauf der näch­sten Zeit wird sich zei­gen, wie wenig sich digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on wird zäh­men las­sen, so wie zuvor noch Men­schen gezähmt, gebro­chen und dres­siert wur­den. Nicht nur die­se Päd­ago­gik, auch die­ses Poli­tik ist von vor­ge­stern. – Die Gedan­ken sind frei und seit erst die freie Kom­mu­ni­ka­ti­on hin­zu­kom­men ist, ist unan­ge­paß­tes Den­ken bald schon in aller Munde.

Luther moch­te sei­ner­zeit den Buch­druck ganz und gar nicht, was ihn jedoch nicht dar­an gehin­dert hat, sich das neue Medi­um für sei­ne Refor­ma­ti­on zu Nut­ze zu machen. – Nicht ein­mal die Kir­che hat dar­auf ihre des­po­ti­sche Macht zur Gedan­ken­kon­trol­le wah­ren kön­nen, als der Buch­druck auf­kam. Was erst wird sein, wenn die Kom­mu­ni­ka­ti­on immer gren­zen­lo­ser wird?

“Dia­lek­tik” ist nicht das, was die Ein­peit­scher ver­kün­den, son­dern ein stän­di­ges Hin und Her für alle die­je­ni­gen, die sich selbst ein eige­nes Urteil bil­den möch­ten. – Natür­lich muß die­ser Krieg so schnell wie mög­lich durch Ver­hand­lun­gen been­det wer­den. Aber es gibt auch Akteu­re, die ihn gar nicht been­det sehen wol­len, weil man­che ihr eige­nes Süpp­chen kochen. Sol­che Kriegs­spe­ku­lan­ten kön­nen in allen erdenk­li­chen Lagern sit­zen, um je nach Inter­es­se wahl­wei­se im Schafs­fell oder auch im Wolfs­fell aufzutreten.

Aber nun kommt die­ser omi­nö­se dia­lek­ti­sche Umschlag: Die USA haben es durch Geheim­po­li­tik und Kulis­sen­schie­be­rei wie­der ein­mal erreicht, daß es fast danach aus­sieht, als wäre so etwas wie “Arma­ged­don”, die­ser hoch­re­li­gi­ös moti­vier­te, apo­ka­lyp­ti­sche “letz­te Kampf zwi­schen den Mäch­ten des Guten und denen des Bösen” nicht mehr aus­ge­schlos­sen wer­den kann. – Die­sem reli­gi­ös moti­vier­ten Wahn der USA ste­hen nicht min­der unzeit­ge­mä­ße Auto­kra­ten gegen­über, denen zuzu­trau­en ist, daß sie auch vor dem Ein­satz von Atom­waf­fen nicht zurück­schrecken. Und Euro­pa ist jetzt der Spiel­ball, um den gekämpft wird, auf den alle nur noch eintreten.

Das viel zu lang wäh­ren­de 19. Jahr­hun­dert schien end­lich been­det wor­den zu sein mit der Wie­der­ver­ei­ni­gung. Es war ein unend­lich lan­ger Abschied von Mon­ar­chien und Mili­tär­dik­ta­tu­ren auf der gan­zen Welt. Zwei Welt­krie­ge wur­den her­auf­be­schwo­ren, nur weil die Mäch­ti­gen im Zuge der auf­kom­men­den Moder­ne “ihre” Macht nicht tei­len woll­ten. Und das alles nur, um irgend­wel­che Pri­vi­le­gi­en nach Alt­vä­ter-Sit­te gegen demo­kra­ti­sche und huma­ni­sti­sche “Ver­ir­run­gen” zu verteidigen.

Nun ist aus­ge­rech­net die­ser reak­tio­nä­re Zeit­geist wie ein Unto­ter wie­der auf­er­stan­den, in sei­ner gan­zen unauf­ge­klär­ten, inhu­ma­nen und psy­cho­ti­schen Imper­ti­nenz. Und schon wird das Gere­de wie­der mar­kig und zackig, wenn Waf­fen ver­scho­ben wer­den, als wären es Hilfs­gü­ter ganz im Geist der Humanität.

Frie­dens­tau­ben tra­gen jetzt Uni­form, man soll das Sel­ber­den­ken ein­stel­len, weil schon wie­der nur noch mög­lichst schnel­les, radi­ka­les Han­deln bes­ser sein soll als jedes Nach­den­ken. – Es war schon selt­sam, daß immer mehr Frau­en den Krieg erklä­ren in den Talk­shows und nicht mehr die Rie­ge derer, die doch immer auch den Ein­druck erweck­ten, als wäre der Krieg auch eine Lust.

Hat sich da etwas ver­än­dert? Hof­fent­lich ja, aber wenn, dann nur in der Theo­rie. Die Pra­xis steht noch aus, in dem Beweis, wie Demo­kra­tie und Huma­ni­tät zu ver­tei­di­gen sind. – Zunächst ein­mal ist die­se Kon­stel­la­ti­on mut­wil­lig her­bei­ge­führt wor­den, der letz­te Schritt war nur der, ihn dann auch zu begin­nen. Die Fal­ken haben es wie­der ein­mal geschafft, den Tau­ben vor­zu­gau­keln, sie sei­en wel­che von ihnen. – Die öffent­li­che Mei­nung ist das eigent­li­che Land, das ange­grif­fen, ver­tei­digt und erobert wer­den soll.

Ich bin dage­gen, daß ich dafür sein muß, der putin­schen Aggres­si­on die Stirn zu bie­ten. Ich bin dage­gen, daß die­ser Krieg zwi­schen Demo­kra­tie und Dik­ta­tur mut­wil­lig vom Zaun gebro­chen wor­den ist. So wird die anste­hen­de Lek­ti­on nur noch schmerz­vol­ler. – Es kann aber auch nicht mehr ange­hen, daß eine Rie­ge von Olig­ar­chen die Welt, die Gedan­ken, Reich­tü­mer und Mei­nun­gen ein­fach unter sich auf­teilt und ande­ren nicht ein­mal mehr Gedan­ken­frei­heit gewährt. Allein der Zynis­mus der Macht spricht Bände.

Die erste wahr­haf­te Demo­kra­tie ist in Athen ent­stan­den, in einer ver­gleich­ba­ren Bedro­hung durch das viel mäch­ti­ge­re Reich der Per­ser. Sogar das Ora­kel von Del­phi wech­sel­te vor­sorg­lich die Sei­ten, riet zur Unter­wer­fung und setz­te damit auf die fal­sche Sei­te, zum Nach­teil der eige­nen Repu­ta­ti­on. – In die­ser Situa­ti­on konn­te der hoch­wohl­ge­bo­re­ne Adel die Lasten des anste­hen­den Krie­ges nicht mehr stan­des­ge­mäß tra­gen und auch allein bewäl­ti­gen. Es galt, eine Flot­te zu bau­en, um dann die Bür­ger zu moti­vie­ren, auf eige­ne Kosten in den Krieg zu zie­hen. – Aber wer aus frei­en Stücken mit in den Krieg zieht, um die eige­ne Frei­heit zu ver­tei­di­gen, wird die­sel­be Frei­heit auch gegen­über dem eige­nen Staat gel­tend machen, darauf ent­stand die erste Basis-Demo­kra­tie der Welt. 

Mit der Renais­sance führ­te die Wie­der­erin­ne­rung an die­se Epo­che zum Huma­nis­mus, und die­ser steht seit­her immer wie­der neu auf dem Spiel. Her­aus­ge­for­dert wird er durch üble Men­schen­bil­der im Auf­trag von Reli­gio­nen, Ideo­lo­gien, Wirt­schafts- und vor allem Macht­in­ter­es­sen. – Dar­auf­hin wur­den oft bar­ba­ri­sche Exzes­se in Sze­ne gesetzt, die eine Wei­ter­ent­wick­lung der Mensch­heit immer wie­der um Jahr­zehn­te, wenn nicht um Jahr­hun­der­te zurück­war­fen. Dage­gen das huma­ni­sti­sche Men­schen­bild hoch­zu­hal­ten und auch zu ver­tei­di­gen, ist selbst ein ehren­wer­tes Motiv.

Aber gera­de den Hitz­köp­fen ist in einer sol­chen Kri­se gar nicht zu trau­en, schon gar nicht den Kulis­sen­schie­bern, und das all­fäl­li­ge Mora­li­sie­ren ist nichts wei­ter als gei­sti­ge Umwelt­ver­schmut­zung. Da erdrei­sten sich man­che, die eige­ne Ein­falt zum Maß aller Din­ge zu erklä­ren. – Für wirk­lich gro­ße Fra­gen gibt es kei­ne ein­fa­chen Lösun­gen, son­dern nur eine reflek­tie­ren­de Hal­tung, die dar­auf Wert legt, die Wür­de zu wah­ren und Wider­sprü­che aus­zu­hal­ten. Nur dann sind wir wach genug, im Hin und Her zwi­schen Herz und Kopf immer wie­der neu den Aus­gleich für unse­re Stel­lung­nah­men und Ent­schei­dun­gen zu finden.

Das ändert jedoch nichts dar­an, daß auch ande­re Kon­se­quen­zen gezo­gen wer­den müs­sen, vor allem das Ende der Nibe­lun­gen­treue. Seit Jah­ren haben die USA mit ihrer gan­zen Poli­tik der Demü­ti­gung, Her­ab­set­zung und mit der geziel­ten Ein­fluß­nah­me in der Ukrai­ne dar­auf hin­ge­ar­bei­tet, für Russ­land ein neu­es Afgha­ni­stan zu erschaf­fen. Aber nun soll nicht mehr nur Russ­land, son­dern zugleich auch die EU ganz ent­schei­dend geschwächt wer­den. Bei­de sol­len zu Pro­vinz­mäch­ten wer­den, um in der näch­sten Aus­ein­an­der­set­zung mit Chi­na nicht mehr stö­ren zu können.

Zugleich besteht die Gefahr, daß der Huma­nis­mus erneut eine kata­stro­pha­le Nie­der­la­ge erlebt. Denn die­ser ist es eigent­lich, der gede­mü­tigt wer­den soll. Die Angrif­fe rich­ten sich gegen den alt­eu­ro­päi­schen Geist, gegen Demo­kra­tie, Eman­zi­pa­ti­on, Indi­vi­dua­lis­mus, Mei­nungs­frei­heit, Phi­lo­so­phie und gegen die Idee vom ewi­gen Frie­den. – Euro­pa muß sich end­lich lösen von der Nibe­lun­gen­treue zu den USA, die ihre Spie­le spie­len und ihre Inter­es­sen ver­fol­gen, dabei aber immer wie­der ver­hee­ren­de Kon­flik­te aus­lö­sen, gro­ße Schä­den anrich­ten und sehr viel neu­en Haß erzeu­gen, der sich spä­ter wie­der in neu­en Kon­flik­ten ent­la­den wird.

Im Zen­trum ste­hen momen­tan aber Des­po­ten, die von vor­ge­stern sind. Sie wis­sen, daß ihre Zeit längst abge­lau­fen ist. Daher mach­te Putin die­sen letz­ten Ver­such, nach alter Manier ein­fach zu erobern, was sich nicht stand­haft genug zu erweh­ren ver­steht. Und die Kol­le­gen unter den Des­po­ten wer­den der­weil sehr genau beob­ach­ten, wie weit Putin mit sei­nen Über­grif­fen kommt, um sich an sei­nem Schick­sal ein Bei­spiel zu neh­men. Und den­noch gilt: Gewalt ist kei­ne Lösung son­dern nur ein Zeug­nis gei­sti­ger Armut.

Daher ist es nicht nur nach­voll­zieh­bar, son­dern akzep­ta­bel, mit dem Her­zen ande­rer Mei­nung zu sein, im Wider­spruch und im Wider­stand zu den neun­mal­klu­gen Scharf­ma­chern, die sich wie­der ein­mal selbst berau­schen am eige­nen Wahn. – Wozu haben wir ein Gewis­sen? Was bedeu­tet uns die Fähig­keit, Zukünf­te vor­weg­neh­men zu kön­nen, um dar­an das eige­ne Ent­schei­den und Han­deln immer wie­der neu aus­zu­rich­ten, wenn man aus­ge­rech­net in der Kri­se auf Dem­ago­gen, Hitz­köp­fe oder auf die Mani­pu­la­tio­nen von Geheim­dien­sten, Pro­pa­gan­da und Gesin­nungs­wäch­tern hereinfällt?

Ich bin von Her­zen dage­gen, daß ich aus Ver­nunft­grün­den dafür sein muß, die­sen Feh­de­hand­schuh auf­zu­he­ben. Aus Ein­sicht in die Not­wen­dig­keit bin ich dafür, die­ser Kon­fron­ta­ti­on, die­sem Des­po­tis­mus die Stirn zu bie­ten und das bedeu­tet: Es gilt, der Will­kür­herr­schaft von Des­po­ten und Kulis­sen­schie­bern end­lich ent­ge­gen­zu­tre­ten und dafür zu sor­gen, daß deren Poli­tik welt­weit nicht mehr auf­geht. Die Zei­ten, als im Abso­lu­tis­mus sich noch ein­zel­ne Herr­scher selbst zum Staat erklär­ten und eben­das auch so mein­ten, wenn sie “wir” sag­ten, waren ein aber­wit­zi­ges Durch­gangs­sta­di­um in der Neue­ren Geschich­te, das end­lich vor­bei sein sollte.

Es gibt nur einen Grund, die Ver­tei­di­gung gegen die­sen Krieg zu recht­fer­ti­gen, wenn es schluß­end­lich auf mehr Demo­kra­tie, mehr Huma­ni­tät und weni­ger dunk­le Machen­schaf­ten hin­aus­läuft. Es ist an der Zeit, dem stän­di­ge Zün­deln der USA end­lich Ein­halt zu gebie­ten. Es scheint, als läge eines der Moti­ve, die Welt andau­ernd mit neu­en Kon­flik­ten zu über­zie­hen auch dar­in, im eige­nen Land von einem dro­hen­den Bür­ger­krieg abzu­len­ken. Man sorgt stän­dig für neue äuße­re Fein­de, um den Haß im eige­nen Land damit zu übertünchen.

Was bei alle­dem über­haupt nicht geheu­er sein kann, ließ sich bereits in der Coro­na-Kri­se beob­ach­ten. Es war ein Rück­fall in vor­ma­li­ge Zei­ten, in ein längst über­wun­den geglaub­tes Sta­di­um der Ent­wick­lung – aus Grün­den der Angst und der Panik­ma­che. Genau damit spie­len Des­po­ten immer wie­der, aber auch Poli­ti­ker in Demo­kra­tien auf der Grund­la­ge von Staa­ten, die wie Mon­ster im Zaum gehal­ten wer­den müssen.

Gewal­ten­tei­lung, Rechts­staat­lich­keit und die Balan­ce of Power sind inzwi­schen uner­läß­lich gewor­den, es reicht aber noch immer nicht. Noch mehr Demo­kra­tie ist erfor­der­lich, noch mehr Bil­dung, Ent­wick­lung, Eman­zi­pa­ti­on. Also genau das Gegen­teil des­sen, was den Auto­kra­ten und den sich allent­hal­ben berei­chern­den Olig­ar­chen genehm ist. Sie sol­len nicht mehr von die­ser Welt sein, denn sie stam­men aus dem letz­ten, eigent­lich toten 19. Jahr­hun­dert, das jetzt wie ein Zom­bie die Gemü­ter erschrickt. – Sich nicht ein­schüch­tern zu las­sen und nicht erpress­bar zu sein, ist von größ­ter Bedeu­tung. Auch und gera­de Demo­kra­tien müs­sen wehr­haft sein, nur ganz anders, als es sich die Mili­ta­ri­sten und Bel­li­zi­sten wünschen.

Ein Krieg im Namen der Demo­kra­tie ist nur dann legi­tim, wenn mehr Demo­kra­tie dabei her­aus­kommt. Erst dann läßt sich auch das Herz gewin­nen. Es ist ein Aus­druck der Wür­de, sich nicht ein­schüch­tern, ver­äng­sti­gen und unter­drücken zu las­sen. – Aber in Russ­land sind demo­kra­ti­sche Erfah­run­gen noch gar nicht gemacht, son­dern immer nur ver­hin­dert wor­den. Und die Demü­ti­gun­gen, die zuletzt vom Westen her gezielt adres­siert wur­den, taten ihr übri­ges, eben nicht den Weg der Huma­ni­tät in die Zukunft, son­dern den der Gewalt in die Ver­gan­gen­heit zu wählen.

Bei alle­dem soll­te man den huma­nen Geist zu wür­di­gen wis­sen, denn gera­de der Umgang mit Gede­mü­tig­ten ist ganz beson­ders hei­kel. In Kri­sen und Kon­flik­ten die Wür­de der Ver­lie­rer zu wah­ren und dafür ver­läß­lich zu sor­gen, daß sich gera­de sie sich gewür­digt füh­len dür­fen, kön­nen und auch sol­len, das ist die höch­ste Kunst jeder Diplo­ma­tie. – Aber schon seit Jah­ren fin­det immer weni­ger Diplo­ma­tie statt, Demü­ti­gun­gen wer­den bewußt aus­ge­spro­chen, es wur­de betont undi­plo­ma­tisch pro­vo­ziert, weil nicht der Frie­den, son­dern der Krieg gewählt wor­den ist, lan­ge bevor Putin sei­nen Marsch­be­fehl gab.